Der alte Kiez! Legendäre St. Pauli Kneipen erklärt
Fast alle Menschen, die nach St. Pauli kommen suchen besondere Orte. Also Kneipen und Spelunken, die es nur hier gibt. Glücklicherweise haben sich einige Kneipen in die Neuzeit gerettet und repräsentieren noch das alte St. Pauli.
An dieser Stelle gebe ich meiner persönlichen Eindrücke wieder und richte mich an alle Personen, die den Kiez fotografisch erkunden möchten, oder einfach nur auf der Suche nach Tipps für eine gepflegte Kneipentour sind.
Inhaltsverzeichnis
Zur Ritze
Die Ritze dürfte eine der bekanntesten Kiez Kneipen sein. Früher war die Ritze Anlaufstelle für Zuhälter und Boxer. Als es auf St. Pauli noch Bandenkriege gab, fanden hier auch Schießereien statt. Einer der damaligen Protagonisten war der sog. St. Pauli Killer Werner “Mucki” Pinzner. Verbürgt ist zudem, dass sich die Kiezgröße Stefan Hentschel im Boxkeller der Ritze erhängt hat.
Die Ritze hat also eine bewegte Vergangenheit. Der Boxkeller ist übrigens noch immer in Nutzung und kann auf Nachfrage besichtigt werden.
Es muss allerdings auch ehrlich gesagt werden, dass Touristen heutzutage das Zielpublikum sind und über den Webshop der Ritze sogar T-Shirts verkauft werden. Das alles ist legitim. Nur soll keiner erwarten hier noch Halbweltgrößen oder (B/C) Promis zu treffen.
Fazit: Was für Nostalgiker
Anschrift: Reeperbahn 140, 20359 Hamburg
Zum Silbersack
Diese kultige St. Pauli Kneipe wurde in den Nachkriegsjahren eröffnet. Mehr als einmal stand der Silbersack vor dem Aus. Doch eine Investorengruppe aus Kiezliebhabern hat eine Gesellschaft gegründet und die Kneipe gekauft und damit gerettet. Ziel: Alles soll so bleiben wie es ist. Und so ist es auch gekommen. Noch immer ist das alte Mobiliar vorhanden, die vergilbten Vorhänge bedecken die verschmierten Fenster und selbst die alte Jukebox ist noch in Nutzung.
Das Publikum ist meiner Ansicht nach eine angenehme Mischung, aus Stammgästen, Partyvolk und Touristen. Am Wochenende wird es fast immer knalle voll- und so soll es ja auch sein!
Wie groß das Engagement der Betreiber und Stammgäste ist, zeigt ein skurriler Fun-Fakt: Es gibt tatsächliche eine Silbersack Kneipenmannschaft, die am regulären Hamburger Ligabetrieb teilnimmt.
Fazit: Für wirklich alle die Spaß haben wollen
Anschrift: Silbersackstraße 9, 20359 Hamburg
Onkel Otto
Die gute Nachricht ist, dass sich kaum Touristen ins Onkel Otto trauen. Denn die Kneipe mit Blick auf den Hafen ist das geblieben, was sie schon immer war: Eine Punk-Kneipe.
Von außen gibt es coole Streetart zu bestaunen, innen geht es versifft/ rustikal zu. Zudem gibt es hier noch Bier zu humanen Preisen und einen prima Kickertisch. Musik: Punkrock und mehr Punkrock.
Auch hier ein wenig Geschichte: Das Onkel Otto ist Teil der Häuser an der Hafenstraße, die in den 1980ern besetzt wurden. Nach einem Deal mit der Stadt Hamburg, wurden inzwischen alle Bewohner mit regulären Mietverträgen ausgestattet.
Fazit: Was für Punks und coole Leute
Anschrift: Bernhard-Nocht-Straße 16, 20359 Hamburg
Elbschlosskeller
Die olle Kiezkaschemme hat bereits 1952 eröffnet und besteht bis heute fast unverändert fort.
Der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist die Kneipe durch mehrere Dokumentationen, die im TV ausgestrahlt wurden. Die Kneipe wird inzwischen in der zweiten Generation vom Sohn des Gründers geführt, also ist der Elbschlosskeller ein St. Pauli typischer Familienbetrieb.
Ehrlich gesagt halte ich die Kneipe für grenzwertig. Absturzkneipe ist noch zu milde ausgedrückt. Der Elbschlosskeller wird primär von Alkoholikern und gestrandeten Menschen aufgesucht. Das soll nicht abwertend gemeint sein, ihr sollt nur wissen, auf ihr euch dort einlasst. Nur an den Wochenenden ist das Publikum etwas vermischter. Dann kommen vereinzelt Touristen und „normale“ Kiezgänger.
Aber auch dann geht es die Lautstärke und den Alkoholpegel betreffend, extremer zu, als in anderen Kneipen.
Fazit: Nur was für Hartgesottene
Anschrift: Hamburger Berg 38, 20359 Hamburg
Zum Goldenen Handschuh
Die Kneipe ist spätestens seit dem Roman „Der goldene Handschuh“ von Heinz Strunk deutschlandweit bekannt. Interessanterweise hat sich die Kneipe seit den 1970er Jahren, in denen der Frauenmörder Fritz Honka hier nach Opfern gesucht hat, nicht viel verändert.
Wer also nach einer heruntergekommenen Kneipe sucht, in der die Zeit stehen geblieben ist und in der Möglichkeit besteht 24 Stunden am Tag Bier zu trinken, ist hier genau richtig.
Die Stimmung in der vom Goldenen Handschuh lässt sich wie folgt beschreiben: Laut, schrill, teilweise asozial. Der Handschuh riecht schon beim betreten nach Bier und Siff. Das Publikum ist, ähnlich wie im Elbschlosskeller, nur am Wochenende durchmischt. Ansonsten verkehren hier viele Stammgäste, die gerne mehr als ein Bier trinken.
Fazit: Nur was für Hartgesottene
Anschrift: Hamburger Berg 2, 20359 Hamburg
Reitclub
Wenn ihr von dem Trubel auf St. Pauli eine Pause benötigt, ist der Reitclub eine gute Adresse. Die winzige Kneipe ist neben der berühmten Herbertstraße gelegen und kommt ohne Schickimicki aus.
Wenn ihr im Reitclub einkehrt, könnt ihr mit alteingesessenen Kiezbewohnern ein gepflegtes Bier trinken. Hier ist noch alles echt und ungezwungen. Das ist leider in St. Pauli inzwischen die Ausnahme, denn in vielen Bars und Kneipen steht zwar „Kiez“ drauf, aber das ist fast immer ein leeres Versprechen.
Fazit: Für Menschen die das Unaufgeregte suchen
Anschrift: Gerhardstraße 12, 20359 Hamburg
Hong Kong Bar
Die Hong Kong Bar befindet sich im Herzen von St. Pauli und ist als Überbleibsel des Hamburger Chinesenviertels besonders geschichtsträchtig.
Zum Hintergrund: Es gab auf St. Pauli lange Zeit ein Chinesenviertel. Ehemalige chinesische Seeleute hatten sich in der Schmuckstraße niedergelassen und dort Restaurants und Wäschereien betrieben. Die Chinesen wurden Mitte der 1940er Jahre von den Nazis in Arbeitslager deportiert.
Die Hong Kong Bar wurde von Tim Lam 1936 eröffnet. Auch Tin Lam wurde von den Nazis verhaftet, überlebte aber die Gefangenschaft. Nach dem Krieg kehrte gelang es ihm die Bar wieder zu eröffnen und Tim Lam erweiterte sie um ein kleines Hotel. Lange Zeit hat Lams Tochter Marietta Solty die Hong Kong Bar weiter betrieben. Leider ist Marietta inzwischen verstorben.
Die Bar wird optisch durch einen übergroßen Tresen geprägt. Die Stimmung ist fast immer ausgelassen, ohne das es unangenehm wird. Neben Bier, wird hier vor allem der Kiez-Drink „Mexikaner“ getrunken. Grundsätzlich befindet sich im gleichen Haus auch ein Hotel. Dieses ist aber derzeit nicht in Nutzung.
Nützliche Zusatzinformation: In der Kneipe hängt ein Bild von Erwin Ross, dem bekannten Kiezmaler, der auch die Reklame über dem Eingang der Ritze gestaltet hat.
Nutzlose Zusatzinformation: Der Shot „Mexikaner“ wurde entgegen allen Gerüchten nicht hier, sondern im Steppenwolf (heute leider nicht mehr Existent) erfunden.
Fazit: Für Geschichtsinteressierte
Anschrift: Hamburger Berg 14, 20359 Hamburg
Taverne
In der Schmuckstraße hat sich mit Beginn der 1970er Jahre die Transsexuellenszene breit gemacht. Die Taverne ist einerseits Fixpunkt dieser Szene, andererseits ist die kleine Kneipe einfach nur ein St. Pauli typischer Rückzugsort, wo zwanglos Bier getrunken werden kann. In dem Haus, in dem auch die Taverne gelegen ist, bieten übrigens transsexuelle Damen ihre Dienste an.
Beruhigungspille: In der Taverne läuft niemand Gefahr, von den Damen des Gewerbes belästigt zu werden, obwohl diese hier auch gerne feiern und sich unter die Gäste mischen. Die Stimmung ist jedenfalls immer ausgelassen. Wenn man St. Pauli wirklich kennen lernen will, kommt man um die Taverne nicht herum.
Fazit: Für Kiezliebhaber
Anschrift: Schmuckstraße 5, 20359 Hamburg