Alle Kameraeinstellungen für die Streetfotografie
Wirklich gute Streetfotos aufzunehmen ist nicht einfach. Ich habe viel Zeit damit verbracht, diverse Einstellungen auszuprobieren. Im Laufe dieses Prozesses habe ich herausgefunden, was funktioniert – und was nicht. Deshalb werde ich an dieser Stelle meine bevorzugten Einstellungen für die Street Photography vorstellen.
Inhaltsverzeichnis
Autofokus und Zonenfokus
Grundsätzlich solltest du im Autofokus-Modus fotografieren. Die heutigen Kameras haben alle einen ausreichend schnellen Autofokus. Das gilt ausdrücklich auch für die Street Photography und du kannst sicher sein, dass alle Motive ausreichend scharf gestellt werden. Zudem haben viele moderne Kameras ein Autofokusmodul mit Gesichtserkennung. Das macht das fokussieren von Personen noch einfacher- auch wenn sich diese schnell bewegen.
Bei Kameras ohne Autofokus oder Objektiven, die ohne Autofokus auskommen (müssen), kann alternativ der Zonenfokus zum Einsatz kommen. Aber auch für Objektive, die automatisch fokussieren können, ist der Zonenautofokus eine interessante Alternative.
Zonenfokus
Der Zonenfokus ist eine spezielle Art der manuellen Fokussierung. Der Zonenfokus kommt in Situationen zur Anwendung, in denen die Aufnahmedistanz über eine längere Zeit konstant bleibt.
Um das Konzept umzusetzen, müssen Aufnahmedistanz und Blende passend aufeinander abgestimmt werden.
Entstanden ist das Konzept noch zu Zeiten analoger Fotografie, als es noch keine Kameras mit schnellem Autofokus gab. Straßenfotografie fand und findet oftmals in lebendigen Straßen großer Metropolen statt, viele (potentielle) Motive sind ständig in Bewegung. In dieser Umgebung war es schwierig, ein Objekt bzw. mehre Objekte ohne Autofokus ausreichend präzise zu erfassen.
Die Lösung ist denkbar einfach: Beim Zonenfokus wird nicht ein bestimmtes Motiv, sondern auf eine zuvor definierte Zone scharf gestellt. Alle Bildelemente, die sich innerhalb dieser Schärfezone befinden, werden scharf abgebildet.
In der Praxis bedeutet das, dass zunächst eine Zone definiert werden muss, die besonders vielversprechend aussieht, also beispielsweise ein Teil einer belebten Straße. Passend hierzu wird eine Blende gewählt. Wenn sich nun ein interessantes Motiv in die Zone begibt, kann es „klick“ machen und das Foto ist scharf im Kasten.
Für die korrekte Einstellung müssen zudem die Sensorgröße und die Brennweite berücksichtigt werden (hierzu später mehr). Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, den Zonenfokus nur mit einer Festbrennweite zu nutzen, denn wenn die Brennweite variiert wird, müssen die Werte neu berechnet werden und dann wird es nervig und kompliziert.
Der Zonenfokus in der praktischen Anwendung
Je nach Lichtsituation und Brennweite bieten sich feste Einstellungen von Entfernung und Blende an, die dafür sorgen, dass alle Bildelemente innerhalb der gewünschten Zone scharf abgebildet werden (sog. Schärfezone).
- Falls noch nicht geschehen, stelle die Kamera auf ISO-Automatik ein, dass reduziert den Aufwand und die Automatik funktioniert ausreichend gut.
- Hast du eine interessante Zone identifiziert, musst du die Grenzen genau definieren. Typisch für die Street Photography ist ein Entfernungsbereich zwischen 1,5 Meter und 4 Meter.
- Stelle die Kamera auf Zeitautomatik ein und wähle eine Blende zwischen F 8 und F 16, um eine große Schärfentiefe zu erhalten. Desto größer der Blendenwert, desto größer die Schärfentiefe.
Noch konkreter: Viele manuelle Objektive, haben am Fokusring eine Entfernungs- und Schärfentiefeskala, wodurch die gewünschte Entfernung zur Zone nebst passender Blende eigestellt werden kann.
Alternativ können auch digitale Skalen verwendet werden. Diese finden sich teilweise auf Objektiven oder im Kameradisplay. Soweit diese Hilfsmittel nicht zur Verfügung stehen, bieten sich Schärfentiefenrechner aus dem Internet an. Beispielsweise:
https://www.fotoclub-vogtland.de/tool_schaerfentiefe.html
Natürlich ist es nicht notwendig, den Rechner jedes Mal zu bemühen, wenn ein Streetfoto aufgenommen werden soll. Ein Blick zu Hause reicht vollkommen aus. Beispiel:
Du stehst in New York an einer belebten Kreuzung. In 3 Meter Entfernung tobt das bunte Leben, das du mit einer Vollformatkamera und einem 35 mm Objektiv einfangen möchtest. Wenn du Blende 8 wählst, ist alles zwischen 1,90 und 7,16 Meter scharf. Passt also.
Wie du siehst, hast du selbst bei einem gemäßigten Weitwinkelobjektiv einen großen Spielraum.
Exkurs: Objektivwahl
Weitwinkelobjektive zwischen 21 mm – 35 mm eignen sich besonders gut für das Konzept des Zonenfokus, da mit ihnen eine hohe Schärfentiefe erzeugt werden kann. Bei längeren Brennweiten ist der Schärfentiefebereich zu klein, um für den Zonenfokus sinnvoll nutzbar zu sein.
Zoomobjektive sind auch nicht optimal für den Zonenfokus, weil sich je nach Brennweite der Schärfentiefebereich verändert. Für den Zonenfokus eignen sich also am besten Weitwinkelobjektive mit fixer Brennweite.
Abschließend noch zwei Beispiele um zu verdeutlichen, warum uns Weitwinkelobjektive so nützlich sind und der Einsatz eines Teleobjektives keinen Sinn macht. Gleiche Werte wie oben, aber mit:
- 28 mm: Schärfezone zwischen 1,57 Meter und Unendlich.
- 100 mm: Schärfezone zwischen 2,88 Meter und 3,22 Meter (!).
Die Blende wählen (Zeitautomatik oder A/AV-Modus)
Wenn du die Blende selber vorwählst, stellt die Kamera hierzu passend die Verschlusszeit ein. Daher wird diese Einstellung auch Zeitautomatik genannt. Die manuelle Wahl der Blende macht Sinn, wenn bestimmte Effekte mit der Schärfentiefe/Schärfenuntiefe erzielt werden sollen. Es geht letztlich also um nichts anderes als die Bildgestaltung.
Große Blendenwerte führen zu einer großen Schärfentiefe, der Hintergrund des Bildes ist klar erkennbar. Die Wahl einer großen Blende macht in der Streetfotografie oftmals Sinn.
Anwendungsbeispiel: Mehrere Motive bewegen sich in unterschiedlichen Ebenen des Bildes oder die urbane Kulisse (stimmungsvoller Hintergrund etc.) soll ein Bildelement sein. Für beide Szenarien, müssen die Hintergründe scharf sein. Bonus: durch die Wahl großer Blendenwerte steigt die Wahrscheinlichkeit, die Motive scharf abzulichten.
Die alte Dame und die alte Berliner City-West. Durch die Wahl der Blende 8 sind die Wahrzeichen von West-Berlin im Hintergrund noch gut zu erkennen.
Kleine Blendenwerte führen zu einer geringen Schärfentiefe, der Hintergrund des Bildes wird unscharf. Die Wahl einer kleinen Blende macht in der Streetfotografie wenig Sinn und sollte nur eingesetzt werden, wenn wenig Licht vorhanden ist. Andernfalls kommt es zu dem Effekt, dass der Hintergrund unscharf wird. Das mag zwar bei Portraits klasse aussehen, hilft in der Streetfotografie aber nicht beim Erzählen von Geschichten, weil der Betrachter nur das isolierte Hauptmotiv wahr nimmt.
Die Verschlusszeit wählen (Blendenautomatik (oder T/ TV/ S-Modus)
Wenn du die Verschlusszeit selber vorwählst, stellt die Kamera hierzu passend die Blende ein. Daher wird diese Einstellung auch Blendenautomatik genannt. Die manuelle Auswahl der Verschlusszeit macht Sinn, wenn du gezielt Schärfe- bzw. Unschärfeeffekte einsetzen willst.
Lange Verschlusszeiten führen dazu, dass ein sich bewegendes Objektiv, verwackelt bzw. unscharf dargestellt wird. Hierbei kann es sich um den Hintergrund handeln oder das Hauptmotiv.
Als Beispiel sollen folgende Fotos dienen. Aufgenommen in Berlin am Alexanderplatz.
Das Foto wäre durch die Wahl einer anderen Verschlusszeit vermutlich deutlich langweiliger geworden. Hier habe ich den Wert auf 1/15 Sekunde eingestellt.
Durch die lange Verschlusszeit kommt Dynamik ins Bild. Der hier gewählte Wert, kann bei anderen Kameras zu abweichenden Effekten führen, denn es gibt viele Einflussfaktoren. Beispielsweise spielt die Geschwindigkeit des Motives (U-Bahn, Fahrrad, Auto, etc.) eine Rolle. Zu beachten sind auch Objektiv (Lichtstärke, VR?) und Kamera (VR?). Es muss also ein wenig experimentiert werden.
Kurze Verschlusszeiten führen dazu, dass die Motive scharf abgebildet werden. Viele Streetfotografen legen den Wert daher auf etwa 1/125s oder darüber fest, da es auf der Straße oftmals schnell zugeht. Bei einem Wert unterhalb von 1/125s besteht die Gefahr, dass die Bilder verwackeln.
Der Iso-Wert
Es gibt nicht viele Argumente gegen die Iso-Automatik. Alle mir bekannten Kameras wählen den Iso-Wert ausreichend gut aus. Ich empfehle daher, den Fokus auf die Bildgestaltung zu lenken. Gleichwohl kann es Sinn machen, den Iso-Wert nach oben zu begrenzen, damit das Bildrauschen nicht zu stark ausfällt. Welcher Wert gewählt werden sollte, hängt von der Kamera ab. In der Regel sind es Werte zwischen ISO 1600 (MFT) und Iso 6400 (VF).
Natürlich spielt auch der persönliche Geschmack eine Rolle: Viele Streetfotos bekommen durch die Körnung einen besonderen Look.
Wenn ihr den Iso-Wert doch selber wählen wollt, empfehle ich folgende Werte für die Street Photography: ISO 100-200 im Sonnenlicht, ISO 400-1600 im Schatten und ISO 1600-6400 in der Dämmerung und Nacht.
Der Automatik-Modus
Fotografie-Esoteriker rümpfen gerne die Nase, wenn sie Automatik-Modus (oder P-Modus) hören- für sie zählt nur der manuelle Modus, in dem alle Einstellungen von Hand vorgenommen werden. Alles andere ist ihrer Vorstellung nach, keine ernstzunehmende Fotografie. Lol.
Tatsächlich hat die Fototechnik in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht. In Folge dessen funktioniert auch der Automatik-Modus sehr gut. Das bedeutet, dass die Kamera Belichtung und Verschlusszeit korrekt einstellt, also dafür sorgt, dass die Bilder nicht verwackeln und richtig belichtet sind.
Ich selber habe viele Bilder im Automatik-Modus aufgenommen und es hat ihnen nicht geschadet. Zu beachten ist, dass die Kamera im Automatik-Modus stets mittlere Werte wählt, denn die Kamera weiß nicht, ob du einen bestimmten Bild Look erzeugen möchtest. Wenn du also bestimmte Effekte, wie Bewegungsunschärfe in ein Bild einbauen möchtest, musst du die Einstellung der Verschlusszeit selber vornehmen. Das gleiche gilt für die Blende: Wenn Spezialeffekte gewünscht sind, kann dir die Automatik nicht helfen.